Motoren

BLDC Start

Zum Starten des Motors gibt es inzwischen unzählige mehr oder weniger aufwendige Möglichkeiten. Neben klassischen Ansätzen wie Rampenstart mit anschließender EMK-Detektion gibt es auch die Möglichkeit, die Nichtlinearität der B-H Kennlinie des Stators zu nutzen, um Informationen über die Rotorstellung zu gewinnen. Klassischerweise werden dazu die verketteten Kleinsignalinduktivitäten bei Anlegen verschiedener sehr kurzer Kommutierungen ermittelt. Das geschieht über die Messung des Stromanstiegs während einer kurzen Bestromung.
Hier stelle ich eine einfache Alternative dazu vor.

Wirkrinzip zur Positionsmessung ohne Nord/Süd Detektion

Das Wirkprinzip dazu ist folgendes:
Beispielhafte Polradstellung für einen BLDC-Motor
in Dreieckschaltung.
B-H Kennlinie für weichmagnetischen Kern.

Das linke Bild zeigt eine beispielhafte Polradstellung für einen Motor mit Dreieckwicklung. In dieser Polradstellung zeigt ein Pol stärker auf die Wicklung von L1 als auf die von L2. L3 wird vorerst unberücksichtigt gelassen. Der Grund dafür wird später noch klar. Durch die eingezeichnete Polradstellung wird der Kern von L1 von einer höheren magnetischen Flußdichte durchsetzt als der von L2.
Das rechte Bild zeigt eine beispielhafte B-H Kennlinie für einen weichmagnetischen Kern (vernachlässigbare Hysterese). Durch unterschiedliche Polradstellungen liegen an den einzelnen Nuten des Motors unterschiedliche magnetische Feldstärken Hx an. Diese ergeben unterschiedliche "Arbeitspunkte" auf der BH-Kennlinie. Die meßbaren Permeabilitäten µs0 und µs1 in diesen Arbeitspunkten entspricht den eingezeichneten Tangenten. Sie sind direkt proportional zur meßbaren Kleinsignalinduktivität im jeweiligen Arbeitspunkt. Damit gilt für die eingezeichnete Rotorstellung L1<L2.
Legt man nun einen kurzen Spannungspuls an, wie im linken Bild eingezeichnet, kann man am Anschluß 2 die Spannung am Abgriff des induktiven Spannungsteilers aus L1 und L2 messen. Für die eingezeichnete Rotorstellung mißt man eine Spannung U2-U3>UM zurück. Da die Induktivität Achsensymmetrisch zur Achse H=0 ist, mißt man genau dasselbe Signal zurück, wenn der Rotor um exakt 180° gegenüber der eingezeichneten Stellung verdreht ist.

Positionsmessung ohne Nord/Süd Detektion

Vergleicht man die rückgemessene Spannung an der offenen Phase entweder mit der halben angelegten Spannung oder mit der Spannung eines künstlich erzeugten Sternpunktes, kann man nach einer Messung nach dem Bild unten links die Rotorposition innerhalb der dort eingezeichneten Intervalle detektieren. Dabei bedeutet ein "+", daß die rückgemessene Spannung über der des künstlichen Sternpunkts liegt, wenn ein Pol des Rotors in dem betreffenden Intervall liegt. Für die mit "-" gekennzeichneten Intervalle ist die rückgemessene Spannung kleiner als die des künstlichen Sternpunkts.
Das linke untere Bild zeigt die so meßbaren Intervalle für die Polradstellung, wenn an Anschluß 1 die positive Versorgungsspannung, an Anschluß 3 die Masse angelegt und die Spannung am Anschluß 2 zurückgemessen wird.
Meßbare Intervalle bei Anlegen einer Kommutierung. Meßbare Intervalle bei Anlegen von drei
aufeinanderfolgenden Kommutierungen.

So läßt sich mit drei aufeinanderfolgenden Kommutierungen die Rotorposition bis auf ein Intervall von 30° bis hinunter zum Stillstand feststellen. Das rechte Bild zeigt die Intervalleinteilung, die man nach dem Anlegen von drei aufeinanderfolgenden Kommutierungen erhält. Die zur Messung anzulegenden Bestromungen 1..3 sind u.a. im Bild unten in der Tabelle Kommutierung dargestellt. Die Spalten P1..P3 sind dabei die Motoranschlüsse, + und - kennzeichnen die Polarität der anzulegenden Spannung. C kennzeichnet den Komparatoranschluß für die betreffende Bestromung. Die untere Tabelle kennzeichnet die in Abhängigkeit von der rückgemessenen Position anzulegende Startbestromung.

Zusammenfassung angelegte Kommutierungen zur Positionsmessung und korrekte Startkommutierungen in Abhängigkeit von der rückgemessenen Position.

Diese Meßergebnisse beinhalten noch nicht die Information, ob der Nordpol oder der Südpol an einer bestimmten Position anliegt. Vorerst weiß man nur, daß einer der beiden Pole an der Position anliegt. Deshalb beinhaltet die untere Tabelle stets zwei mögliche Bestromungen für den Start. Das heißt, man weiß nach dieser Messung sehr genau, welche Anschlüsse wir den korrekten Start zu bestromen sind. Nur die korrekte Polarität der Bestromung ist noch unbekannt.
Die Messung funktioniert natürlich nicht nur im Stillstand sondern auch bei geringen Drehzahlen, bei denen die EMK noch klein gegenüber der Spannungsänderung am induktiven Spannungsteiler ist. Deshalb läßt sich nach diesem Verfahren ein Motor problemlos starten und während des kompletten Starts korrekt kommutieren. Da man nach der ersten Messung die Rotorposition kennt, weiß man ab dort, wo der Rotor bei Vorzeichenwechsel an einem rückgemessenen Anschluß hingelaufen ist. Deshalb reicht es für den Start aus, nach dieser Positionsmessung bei den nachfolgenden Bestromungen nur noch die jeweils eine offene Phase zu beobachten und die entsprechenden Rückschlüsse zu ziehen. So bekommt man auch bereits nach dem ersten Vorzeichenwechsel heraus, ob der Motor in die korrekte Richtung anläuft oder in die Falsche. Im letzteren Fall kennt man ebenfalls wieder die erreichte Rotorposition ohne weitere zusätzliche Messungen und kann aktiv sofort korrigieren. Alternativ zum Start ohne Nord-/Süddetektion kann man in einem weiteren Messchritt ebenfalls mit einer Spannungsmessung die Pollage detektieren, wie im nächsten Abschnitt beschrieben wird.

Nord-/Süddetektion

Zur Nord-/Süddetektion benötigt man einen ADC. Das Prinzip nutzt den gleichen Effekt wie in den ersten Bildern gezeigt aus. Um zu detektieren, welcher Pol einer Induktivität gegenübersteht, nutzt man einfach einen etwas längeren Meßimpuls (z.B. ca. 100us Pulsdauer für Motoren mit geringen Induktivitäten) als bei den obigen Messungen. Durch die längere Pulsdauer speist man einen Strom im den Motor ein, der über die Zeit meßbar ansteigt. An der BH-Kennlinie überlagert sich nun das H-Feld des Rotors mit dem sich zeitlich ändernden H-Feld, das durch die Einspeisung des Stroms verursacht wird. Vergrößert der steigende Strom den Betrag des resultierenden H-Feld, so verringert sich die betreffende Induktivität. Verringert der steigende Strom den Betrag, so steigt die Induktivität der betreffenden Wicklung während der Messung. Diesen Effekt sieht man am offenen Anschluß in Form einer sich zeitlich ändernden Spannung. Zum Feststellen, ob sich die Beträge beider H-Teilfelder addieren oder subtrahieren mißt man mit dem ADC, ob während der Bestromung die rückgemessene Spannung einen positiven oder negativen Anstieg hat. Dazu reichen zwei ADC-Messungen während der längeren Bestromung aus. Die Messung läßt sich selbst mit dem 15kS/s ADC eines 8Bit AVRs noch durchführen.
Mit dieser Zusatzinfo läßt sich die Position des Rotors mit 4 Messungen bis auf 30° genau ausmessen und korrekt starten.

Warnung

Vor dem Versuch, einen Motor auf diese Weise zu starten sollte man sich erstmal genauer ansehen, mit was für einem Motor man es zu tun hat. Beide Messungen basieren auf Effekten zweiter und dritter Ordnung, auf die die Motoren nicht dimensioniert werden. Eigentlich sind diese Effekte aus Gründen der Verlustleistung und der Laufruhe eher unerwünscht und der Hersteller ist im Normalfall daran interessiert, sie zu unterdrücken. Daher sind diese Verfahren nicht auf jeden Motor problemlos anwendbar. Recht sicher kann man sich jedoch bei Motoren mit sehr starken Permanentmagneten sein, da diese den Stator deutlich aussteuern. An den meisten Motoren war der erste beschriebene Effekt recht gut beobachtbar. Der Anstieg der Spannung war als Indikator für die Lage von Nord-/Südpol schon seltener zu gebrauchen. Ein paar Messungen mit dem Oszilloskop und einem Motor, den man unter Bestromung einer Phase mit PWM langsam mit Hand dreht, geben Aufschluß darüber, ob sich dieser Motor auf die oben beschriebene Weise starten lassen würde.